Arbeiter*innen in H&M Lieferketten enthüllen Hungerlöhne und Verletzungen des Arbeitsrechts

Neue Recherchen der Clean Clothes Campaign in Zusammenarbeit mit dem ENS decken massive Missstände in sechs H&M- Produktionsbetrieben auf. Die Ergebnisse enthüllen, dass viele Arbeiter*innen in den Vorzeige-Zulieferfabriken des Modekonzerns unter der Armutsgrenze leben – und das, obwohl H&M ihnen für 2018 existenzsichernde Löhne versprochen hatte. 

Zwischen März und Juni 2018 haben Rechercheteams der internationalen Clean Clothes Campaign über 60 Angestellte in Bulgarien, Indien, Kambodscha und der Türkei nach ihren Löhnen und Arbeitsbedingungen befragt. Alle arbeiten in Vorzeige-Zulieferfabriken von H&M, die der Modekonzern als „Gold“- oder „Platinum Supplier“ bezeichnet.

Demnach verdienen die befragten Arbeiter*innen in Indien und der Türkei ein Drittel eines Lohns, der als existenzsichernd gilt; in Kambodscha ist es weniger als die Hälfte. Die Interviewten in der bulgarischen von H&M als „Gold“-Zulieferer ausgezeichneten Fabrik erhielten in regulärer Arbeitszeit sogar weniger als zehn Prozent eines existenzsichernden Lohns. Dies geht aus einer Befragung der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign) in sechs Fabriken in Bulgarien, Kambodscha, Indien und der Türkei hervor.

Überstunden nötig für bloßes Überleben

Während der schwedische Modekonzern 2,6 Milliarden Euro Jahresgewinn macht, sagt eine Arbeiter*in einer H&M „Gold“-Zulieferfabrik in Indien: „Die Löhne sind so niedrig, dass wir Überstunden machen müssen, um zumindest unsere Grundbedürfnisse zu decken.“ In drei der sechs untersuchten Fabriken überschreiten die Überstunden oft das gesetzlich zulässige Höchstmaß, Sonntagsarbeit ist in allen gängige Praxis. „Wir betreten die Fabrik um 8 Uhr früh, aber wir wissen nie, wann wir gehen dürfen. Manchmal wird es 4 Uhr morgens“, berichtet eine bulgarische Näher*in der Fabrik „Koush Moda“ – ebenfalls ein strategischer „Gold-„Zulieferer von H&M. Dort liegt der Lohn für die reguläre Arbeitszeit sowohl unter dem gesetzlichen Mindestlohn als auch unter der Armutsgrenze.

Ohnmachtsanfälle am Arbeitsplatz

Hungerlöhne, exzessive Überstunden und die zusätzliche Belastung durch den eigenen Haushalt führt häufig zu Mangelernährung, Burnout und Ohnmachten am Arbeitsplatz. Jede dritte befragte Arbeiter*in in Indien und zwei Drittel der Interviewten in Kambodscha sind schon einmal am Arbeitsplatz in Ohnmacht gefallen. Eine Arbeiterin aus Indien berichtete, dass sie dabei auf eine Maschine gefallen war und aufgrund innerer Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

HINTERGRUND DER RECHERCHE

Die Interviews und die Studie wurden zwischen März und Juni 2018 im Rahmen der Kampagne ‚Turn Around H&M‘ erstellt. Die Kampagne begann im Mai, als offensichtlich wurde, dass H&M sein 2013 gegebenes Versprechen nicht einhalten würde. Damals hieß es von Seiten des Konzerns „Bis 2018 sollen alle strategischen Zulieferer Lohnstrukturen installiert haben, um einen Living Wage zu zahlen. Bis dahin wird das 850.000 Textilarbeiter*innen betreffen“. Auf dieser Grundlage wurden lediglich Fabriken untersucht, denen H&M seinen Gold- oder Platin-Status verliehen hat.

Die Koordinatorin der Studie, Bettina Musiolek koordiniert die Arbeit der internationalen Kampagne für Saubere Kleidung für Osteuropa und die Türkei und sagt: „Wir wussten schon, dass H&M das Versprechen bis zum Anfang des Jahres nicht eingehalten hatte. Aber die konkreten Ergebnisse der Recherche haben uns trotzdem geschockt. H&M muss sofort handeln, um den Skandal um Hungerlöhne und Arbeitsrechts-Verletzungen zu beenden.“

Forderungen der Zivilgesellschaft an H&M

„Statt Marketing-Versprechen fordern wir von H&M reale Steigerungen der Löhne von Arbeiter*innen in seinen Lieferketten. Wie wir der Unternehmensführung schon zuvor geschrieben haben, benötigt der Konzern dafür einen verbindlichen Maßnahmenplan mit zeitlich festgelegten Zielen, bis wann die Löhne um wieviel erhöht sein müssen.“, sagt Isabell Ullrich, Referentin für die Kampagne für Saubere Kleidung bei der CIR (Christliche Initiative Romero).

Die Studie wird unterstützt vom International Labor Rights Forum und der Petitionsplattform WeMove.eu, auf der sich Konsument*innen den Forderungen an H&M anschließen können. Über 100.000 sind dem Aufruf schon gefolgt. 

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

 

PRESSE-KONTAKT:

Dr. Bettina Musiolek
Clean Clothes Campaign
Tel.: 0176 577 13 247
E-Mail: bettina.musiolek [at] einewelt-sachsen.de

Isabell Ullrich
Referentin für das Thema Kleidung bei der Christlichen Initiative Romero (CIR), Münster
Tel: 0251 – 67 44 13 -13
E-Mail: ullrich [at] ci-romero.de